„Innen gibt es keine Toilette, Waschraum und Latrine sind in einer einzigen, zweiteiligen Baracke zusammengefasst, rechts die Waschbecken, links die Abtritte, bestehend aus einem Brett mit vielen Löchern, das auf dem Grabe mir den gesammelten Exkrementen kippelt. Diese Baracke ist weit von den anderen entfernt und nachts ist es schwierig, die Toiletten zu erreichen. Mann muss akrobatische Kunststücke vollführen, um im Dunkeln aus dem Bett zu steigen, oft muss man, weil beim dringenden Bedürfnis keine Zeit bleibt, nach ihnen zu suchen, ohne Schuhe aus dem Block treten uns loslaufen, atemlos durch den eiskalten Schnee laufen, durch den Schlamm, durch den Sand, in dem man versinkt […] Man setzt die Suche nach der Latrine, dem Loch im Dunkeln fort und man muss aufpassen, dass man das Gleichgewicht nicht verliert. Bei Frauen mit Durchfall kommt die Entleerung oft, bevor sie an Loch angekommen sind.“
„Manche zeigen auch ihre Reichtümer: das Frottehandtuch, den Waschlappen, Zahnpasta, Seife, feine Wäsche von zu Hause oder auf einem der vielen illegalen Kanäle organisiert […]“
„Sich bei Siemens sauber zu halten ist noch schwieriger – wenn es überhaupt möglich ist – als im Stammlager.“
– Lidia Beccia Rolfi, * 1925, Italienerin
Siemens: Oktober 1944 – April 1945, Halle 8
„Als Toiletten diente ein Graben von ungefähr 15 m Länge, an dem ein gerade so langes Brett angebracht war. unter der Aufsicht von zwei Aufseherinnen saßen die Häftlinge nebeneinander, davor zappelten schon wieder andere. Die Aufseherinnen passten auf, dass keine zu lange saß, dann wurden sie herunter gezerrt.“
– Yvonne Useldinger (geb. Hostert), * 1921, Luxemburgerin
Siemens: Mai 1943 – April 1945, Halle 2
„Wenn man die Latrine betrat, flogen Flöhe und ungezähltes Ungeziefer in Wolken auf, so dass man freiwillig alles sehr schnell erledigte und sich wieder in die Halle zurückjagen ließ. Zur Latrine durfte man nur in der Mittagspause, eine Qual für die Hunderte von magen- oder darmkranken Kameradinnen.“
–Johanna Sohst * 1915, deutsche „Halbjüdin“
Siemens: Sommer 1944 – April 1945, Halle 2
„An Körpergewicht hatte ich wegen Vitaminmangels „nur“ 32 Kilo. Die Hand schmerzte unmäßig, mit dem Brett war ich ungeschickt, obendrein hatte ich Durchfall. Die Toiletten und der Waschraum waren in einem besonderen Block. Bis zehnmal pro Nacht musste ich im Dunkeln aus dem dritten Stock mit der kranken Hand auf meine kümmerlichen Kilos mich herunterlassen und danach das ganze umgekehrt.“
– Bozena Legiša (geb. Velikonja), * 1920, Slowenin
Siemens: Mai 1944, Halle unbekannt
„Kein Gerücht waren die brandneuen Blocks, die sie mitten im Wald, nur etwa fünf Minuten von dem Fabriken entfernt, vor kurzem errichtet haben. Es sind zehn an der Zahl, zehn für die zweitausend Frauen, die im Werk arbeiteten. Sie sind wesentlich kleiner als die Blocks im Lager und nicht unterteilt. 200 Frauen in einer Baracke“
– Silvia Grohs-Martin, * 1920, Österreicherin
Siemens: November 1943 – April 1945, Halle 9
„Die Französinnen sind in Stube C des ersten Blocks, am äußersten Rand des Lagers untergebracht; daneben liegen die Stuben der Belgierinnen und die Holländerinnen.“
– Lidia Beccia Rolfi, * 1925, Italienerin
Siemens: Oktober 1944 – April 1945, Halle 8
„Schwangere Frauen waren auch bei Siemens beschäftigt. Eine konnten wir unterbringen, die Holländerin Anni Hendricks, sie bekam ihr erstes Kind in der Revierstube. Mutter und Kind lebten in Block 2 a. Größere Kinder konnten mit der Mutter im Betrieb arbeiten […]“
– Yvonne Useldinger (geb. Hostert), * 1921, Luxemburgerin
Siemens: Mai 1943 – April 1945, Halle 2
„Später konnten wir eine Stubenälteste wählen, es war eine ältere Internierte – Anica Kos – die zu uns wie eine Mutter war.“
– Marija Vogrič (geb. Svetina), * 1924, Slowenin
Siemens: Ende Oktober 1944 – April 1945, Halle 2
„Im Siemens-Lager wurden wir sofort zu sieben in den berühmten Block 3 der deutschen Prostituierten gebracht. Die Stubenälteste (Stubowa) war eine Mörderin: Maria, eine mit grünem Winkel. Sie war beides – Mörderin und eine Prostituierte.“
– Bianca Paganini, * 1922, Italienerin
Siemens: November 1944 – April 1945, Halle 21
„In diesem Lager hatten wir ein bisschen mehr Freizeit und konnten uns auf kulturellem Gebiet betätigen. Nationenweise und international fanden Gesangs – oder Tanzvorführungen, Rezitationen usw. statt. Wir hatten internationale Größen der Künstlerwelt.“
– Anna Vavak/Anička Vavákova, * 1913, Tschechin aus Wien
Siemens: August 1942 – April 1945, Halle 1
„Wenn wir am Sonntagnachmittag frei hatten und nicht Strafe vor dem Block stehen mussten, veranstalteten wir in unserer kläglichen Baracke irgendeine Vorstellung. Das waren Sketche: ernste und vergnügliche. Und Gesänge! […] Auch Tanzauftritte sahen wir. Im Siemenslager konnten wir besser auf die Aufseherinnen und zweifelhafte Kriminelle achtgeben, die uns hätten verraten können, da jeglichen Unterhaltung verboten war.“
– Marija Šavli, * unbekannt, Slowenin
Siemens: etwa ab Herbst 1944, Halle 5
„Die Tschechinnen waren eine große Gruppe und hatten viele Künstlerinnen, Schauspielerinnen und Tänzerinnen dabei. Sie haben Gedichte, Lieder und Theaterstücke auswendig gekonnt.“
„Weißt du, wie wichtig das Singen war? Nie hätte ich das missen wollen. Ich glaube nicht, dass ich sonst alles so überstanden hätte.“
– Irma Trksak, * 1917, Österreicherin
Siemens: Ende Oktober 1942 – Januar 1945, Halle 3, dann Stubenälteste im Siemens Betrieb
„Die Pianistin Zdenka klimperte auf dem Klavier, die Violinistin Katra mühte sich auf alle mögliche Weise und versuchte ihrem Spiel so viel wie möglich Gefühl zu verleihen. Die Trompete strengte sich an, als ob sie platzen wolle, und spielte nur zeitweilig, schwerwiegend und wichtigtuerisch. Das Publikum klopfte sich vor Lachen auf die Knien. […] Da wir ziemlich laut waren, kam eine Aufseherin in den Block mit der gewöhnlichen Frage: Was ist denn wieder los? Als wir ihr erklärten, dass wir „Deutschland, Deutschland über alles“ spielen, ging sie zufrieden davon, ohne uns zu bestrafen.“
– Bozena Legiša (geb. Velikonja), * 1920, Slowenin
Siemens: Mai 1944, Halle unbekannt
„[…] Wenn sie es gewusst hätten, hätten sie uns vielleicht umgebracht, wer weiß? Denn sie hatten uns verboten zu beten: man sollte auf keinen Fall religiöse Empfindungen pflegen.“
– Bianca Paganini, * 1922, Italienerin
Siemens: November 1944 – April 1945, Halle 21
„Es wird weiter abgeschaltet, nur noch das Nötigste wird gemacht. Siemensbetriebe werden unrentabel. Am 12. April werden alle Häftlinge aus den Baracken getrieben.“
– Yvonne Useldinger (geb. Hostert), * 1921, Luxemburgerin
Siemens: Mai 1943 – April 1945, Halle 2
„Nachts 2 Uhr weckt uns die Sirene zum Aufbruch, unser Unterkunftslager bei Siemens wird geräumt, in einer Stunde soll der Abmarsch von 2000 Frauen sein.“
„Die Arbeit bei Siemens hat aufgehört Sinn und Zweck zu haben, der Befehl zu Demontage ist gegeben. Unsere einstigen Wohnbaracken im Siemenslager wurden von evakuierten Männerhäftlingen belegt, was wir aber bei unserem täglichen Vorbeimarsch zur Arbeitsstätte sahen, waren keine Männergestalten, sondern schemenhaft wirkende, wankende Leichen, wachsgelbe ausgemergelte verhungernde Gerippe – Opfer des Faschismus. Sie hatten einen langen Marsch hinter sich, jeden Morgen lagen ihre in der Nacht Verstorbenen übereinandergehäuft wie Holzscheiten neben der Blocktüre.“
– Gertrud Popper, * unbekannt, Deutsche
Siemens: Dezember 1944 bis zur Entlassung am 21. April
„Man führte uns aber in das KZ Lager zurück, denn unser Lager wurde von Männern aus Dora besetzt, die schon in Fürstenberg waren. Wir kamen wieder hinter Mauern und hinter Draht und lebten wieder im Schmutz und in Massen bis zum 28. April 1945, dem Tag unserer Evakuierung.“
– Anna Vavak/Anička Vavákova, * 1913, Tschechin aus Wien
Siemens: August 1942 – April 1945, Halle 1
„Jeden Tag wurden wir Zeugen seitlichen Dramas im Männerlager.“
– Gusta Fučikova, * unbekannt, Tschechin
Siemens: September 1943, Halle 7