Siemens Eignungsprüfung

Die „Siemensprüfung“ – Auswahl der Arbeitskräfte

Siemens brauchte für die anfallenden feinmechanischen Arbeiten, Arbeitskräfte mit geschickten Händen und guten Augen. Für Arbeiten wie Spulenwickeln, Löten, Sortieren und Galvanisieren waren Frauen und insbesondere junge Mädchen gut geeignet – das Frauen-KZ in Ravensbrück, vermeintlich sicher vor Luftangriffen und in der Nähe von Berlin, bot sich also an (Jacobeit, S. 160).

Die Auswahl der Arbeitskräfte nahmen Siemens-Mitarbeiter selbst vor. „Arbeitskräfte aus Konzentrationslagern wurden (..) nicht ohne weiteres von der SS in Rüstungsbetriebe abgegeben, sondern es waren eher die Betriebe, die an geeignetem Personal für ihre pünktliche und exakt zu leistende Produktion interessiert waren und darum eine Auswahl tunlichst selbst vornahmen. Dass sie zudem immer mehr Häftlinge anforderten, hing auch damit zusammen, dass es billigste Arbeitskräfte waren, für die sie lediglich ein Mietgeld an die SS zu zahlen hatten.“ (Jacobeit, S. 158)

Hierfür geeignete Frauen wurden mit Hilfe der sog. „Siemensprüfung“ ausgesucht.

Die Zeitzeugin Rita Sprengel erzählte über eine solche Eignungsprüfung, der sie zusammen mit anderen unterzogen wurde. Sie hatte einen dünnen Draht mit Zangen zu biegen. „Zuvor aber ließen Siemensleute ganze Blocks antreten und die Hände vorstrecken. Dann gingen sie die Reihen entlang, betrachteten die Häftlinge. Sie mussten jung und beweglich sein, und überprüften ihre Hände. Sie durften nicht zittern, ihre Haut musste trocken und die Finger möglichst schlank sein.“ Auch die Intelligenz gehörte zu den Auswahlkriterien: „Bei den Siemenshäftlingen überwog unter den Ausländern die junge Intelligenz“, erzählt Rita Sprengel weiter. (Jacobeit, S. 162)

Neben den Fertigkeiten der Frauen und Mädchen war auch der Gesundheitszustand und hier vor allem das Sehvermögen eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz in den Siemens-Werkhallen, weil die Verantwortlichen darin eine Ursache für eine größere Produktion sahen. (Krause-Schmitt, S. 38)

Es wird beschrieben, dass „die gefürchteten Meldungen der Ravensbrücker Siemensleitung, an den Lagerkommandanten Suhren über Häftlingsfrauen“ nicht nachließen (Jacobeit, S. 166). „Diese wurden bei den geringsten „Vergehen“ in Schreiben als faul, schläfrig, ungeschickt, frech, schmutzig usw. denunziert und erhielten dann schwere Strafen, wurden in schikanöse Arbeitskommandos geschickt oder kamen in den Bunker und schieden bei Siemens aus“ (Krause-Schmidt, S. 41). So war es „besonders der Siemensbetrieb, der jedem einzelnen Häftling genau nachspürte“ (ebd.).

Nachdem die Geschicklichkeit der Häftlinge geprüft und für die zugeteilte Arbeit bestanden wurde, testeten die Siemens-Mitarbeiter auch die Intelligenz für die Aufnahme in die Siemens Produktionsstätte. Die Überlebende Lisa Kammerstätter berichtet, dass ihr und anderen Häftlingen die Frage gestellt wurde „wie viel 10% von 100 wäre. Ich sagte, dass die Frage Blödsinn war und ich war aufgenommen. Eine Reihe von Frauen, die die Fragen nicht beantworten konnten wurden wieder zurückgeschickt“.

Dennoch lehnte Siemens „Intellektuelle“ sofort ab, häufig Akademikerinnen wie Lehrerinnen, Doktorinnen oder Professorinnen wurden ausgeschlossen, da sie aus damaliger Sicht des Unternehmens „nicht arbeiten können, zu viel reden und nichts einbringen.“, wie die KZ Überlebende Lidia Beccaria Rolfi berichtete.