Selma van de Perre

Selma van de Perre, geborene Velleman, wurde am 7. Juni 1922 als Kind liberaler jüdischer Eltern in den Niederlanden geboren. Die Familie Velleman hatte vier Kinder und lebte in Amsterdam.

Als die Niederlande 1940 von den Deutschen besetzt wurden und sich die Nachrichten über Verfolgungen und Verhaftungen jüdischer Familien häuften, beschloss Selma im Jahre 1942 unterzutauchen. Sie konnte sich bei verschiedenen Bekannten und Freunden verstecken. Im selben Jahr zog sie in die Universitätsstadt Leiden. Dort fand sie Unterschlupf im Haus von Antje Holthuis, einer befreundeten Ärztin. Selma bemerkte, dass sich dort oft Ärzte trafen, ahnte aber noch nichts von einer bestehenden Widerstandsgruppierung. Am Anfang half sie unbewusst, indem sie Widerstandsberichte einem Professor zukommen ließ. Selma fand bei einem der Treffen heraus, dass es sich um Widerständler handelte und bot dann auch bewusst ihre Hilfe an. Vorrangig half die Widerstandsgruppe jüdischen Familien beim Untertauchen. Meist fanden sie bei christlichen Familien Unterschlupf. Selma fand diese Arbeit sehr beispielhaft und beschloss sich der Gruppe anzuschließen.

*1922
Selma van de Perre

Später arbeitete sie als Helferin in dem Haus eines anderen Widerständlers in Haarlem, in dem sich auch jüdische Familien versteckt hielten. Von den dortigen Untergrundkämpfern lernte sie den Umgang mit Stempel und Tinte, in Bezug auf das Fälschen von Siegeln u.Ä. für Ausweise. Während dieser Zeit, lebte Selma weiter bei Antje Holthuis in Leiden und fuhr immer mit dem Zug nach Haarlem. Selma war die Erste, die einen von den Behörden offiziell erstellten Ausweis bekam und erhielt so eine neue, nicht jüdische Identität. Sie unterstützte die Gruppe auch durch Kurierarbeiten – so brachte sie beispielsweise Briefe und Berichte zu Treffen von Widerständlern oder in anderen Fällen zu einem Priester im Süden Hollands sowie zu einem Fabrik-Direktor in Belgien. Einmal fuhr sie sogar bis nach Paris. Auf ihren Reisen durch die Niederlande belieferte sie Widerständler mit monatlichen Flugblättern, Geld und Essensmarken.

Der Widerstand vermittelte Selma im Juni 1943 ein Zimmer in Utrecht. Utrecht lag im Zentrum von Holland und alle holländischen Züge fuhren durch diese Stadt – ein idealer Ausgangspunkt für Kurierarbeiten also. Dort wurde sie schließlich bei einem Treffen mit Verbündeten verhaftet. Anschließend wurde sie ins Gefängnis von Amsterdam gebracht und dort verhört. Ihre wahre Identität wurde jedoch nicht entdeckt.

Kurz darauf wurde sie in das Konzentrationslager Vught verlegt. Am 8. September 1944 brachte man sie, zusammen mit anderen Frauen aus Vught, in das Konzentrationslager Ravensbrück. Da das Lager schon überfüllt war, mussten die „Neuankömmlinge“ eine Nacht in Zelten oder unter freiem Himmel schlafen.

Kurz darauf erfolgte die Einweisung in das Hauptlager des KZs, wo Selma schwer misshandelt wurde. Nach ihrer Genesung meldete sie sich für die Arbeit in den Produktionshallen der Siemens & Halske AG, weil bekannt war, dass die Bedingungen dort etwas besser wären. Sie fiel dem Leiter ihrer Arbeitsgruppe, Herrn Seefeld, während der Arbeit positiv auf und so hatte sie bald die Stelle als seine Gehilfin inne. Der Siemens Angestellte behandelte die Arbeiterinnen gut und half Selma in Notsituationen. Trotzdem fühlte sie sich bedroht, ausgenutzt und hatte keine Hoffnung wieder in Freiheit entlassen zu werden. In anderen Siemens-Hallen waren die Angestellten von Siemens nach Selmas Angaben teilweise schrecklich.

Nach 8 Monaten Angst und harter Zwangsarbeit wurden sie am 23. April 1945 vom schwedischen roten Kreuz befreit und nach Dänemark gebracht. In der Zwischenstation versorgte man die Kranken und gab den Opfern reichhaltiges Essen. Nach wenigen Stunden brachte man die Befreiten per Schiff in das schwedische Malmö. Dort wurde ihre Lagerkleidung verbrannt und sie konnten sich neu einkleiden. Von Malmö ging es dann nach Göteborg, wo sie am fünften Mai das Ende des Krieges erlebte. Selma kam letztendlich nach Stockholm und kümmerte sich um die Kranken, indem sie sprachlich zwischen Ärzten und Patienten vermittelte und Verwaltungsaufgaben übernahm.

Vier Monate später konnte sie wieder in ihre Heimat zurückkehren, wo sie bei einer Freundin unterkam, die sie aus Kindertagen kannte. Nach einigen Wochen wurde sie vom Kriegsministerium verpflichtet nach London zu gehen, um dort im medizinischen Dienst zu arbeiten. Diese Versetzung wurde wahrscheinlich von ihrem Bruder initiiert. Durch eine Freundin kam sie nach einiger Zeit in die Hörfunkabteilung der BBC, wo sie acht Jahre lang arbeitete. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Während der Rundfunkarbeit erfüllte sie sich ihren Traum und begann ein vierjähriges Anthropologie- und Soziologiestudium. Dank eines Stipendiums konnte sie die letzten beiden Jahre Vollzeit studieren. Anschließend entschied sie sich, aufgrund der Vielseitigkeit, für den Beruf des Lehrers. Da sie die Schule 1941, unter anderem, mit sehr guten Noten in Mathematik abschloss, wurde sie gebeten, neben Soziologie, auch Mathematik an einem Gymnasium zu unterrichten.

Nach dem Tod ihres Mannes, dem Journalisten Hugo van de Perre, übernahm Selma 1979 dessen Stelle als Auslandskorrespondentin für Großbritannien und lieferte darüber hinaus auch Kulturbeiträge. Ab dem Ende der 1990er Jahre arbeitete Selma als Journalistin für die Niederländischen Magazine Televizier und Avro Bode sowie für die Zeitungen Het Volk und De Nieuwe Gids (beide aus Belgien). Heute beteiligt Sie sich aktiv und sehr engagiert an der Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeit. So ist Sie unter Anderem regelmäßig zu Gast beim Generationenforum der Gedenkstätte Ravensbrück. Jedes Jahr trifft sie niederländische Lehramtsstudenten und spricht mit ihnen über die Geschehnisse in Ravensbrück. Ebenfalls jährlich, am fünften Mai, wird Selma zur Gedenkveranstaltung der Befreiung Hollands eingeladen. Dort, auf dem Amsterdamer Platz „Dam“, legt sie am Nationalmonument den offiziellen Kranz für die Frauen von Ravensbrück nieder. In diesem Zusammenhang wurde sie der damaligen niederländischen Königin Beatrix vorgestellt. Im Jahr 2015 hatte sie die Gelegenheit König Willem Alexander und dessen Frau zu treffen.